Mit dem Sommer kommen Sonne und hohe Temperaturen – und damit oft auch die Saison der Stadtmarathons. Während das Bild tausender Läufer, die sich durch historische Gassen kämpfen, auf den ersten Blick motivierend wirkt, muss man bei sommerlichen 30 Grad und mehr kritisch hinterfragen: Ist es wirklich noch sinnvoll und vertretbar, einen Marathon unter diesen Bedingungen zu veranstalten? Die Antwort aus sportmedizinischer und gesundheitlicher Sicht ist ein klares Nein. Das Risiko für die Gesundheit der Teilnehmer überwiegt bei Weitem den sportlichen Reiz.
Der Körper am Limit: Hitzestress und seine Folgen
Ein Marathon ist für den menschlichen Körper bereits unter optimalen Bedingungen eine enorme Belastung. Herz-Kreislauf-System, Muskulatur und Stoffwechsel arbeiten am Limit. Bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius oder darüber wird diese Belastung exponentiell gefährlicher. Der Körper ist dann nicht nur mit der sportlichen Leistung, sondern auch massiv mit der Thermoregulation beschäftigt. Er muss versuchen, seine Kerntemperatur konstant zu halten, vor allem durch Schwitzen.
Dieses exzessive Schwitzen führt jedoch zu einem schnellen Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten, was wiederum das Blutvolumen reduziert. Die Folge: Das Herz muss härter arbeiten, um den Körper und die Muskeln mit Sauerstoff zu versorgen, während gleichzeitig die Kühlkapazität sinkt. Die Gefahr eines Hitzeschlags steigt drastisch an – ein medizinischer Notfall, der lebensbedrohlich sein kann und zu Organschäden oder gar zum Tod führen kann. Auch Dehydration, Elektrolytstörungen und Nierenversagen sind ernstzunehmende Risiken.
Organisatorische Herausforderungen und die Verantwortung der Veranstalter
Veranstalter von Stadtmarathons stehen bei Hitze vor enormen Herausforderungen, die kaum zu bewältigen sind. Selbst eine erhöhte Anzahl von Wasser- und Versorgungsstellen kann die physiologischen Grenzen des Körpers nicht aufheben. Die Bereitstellung einer ausreichenden medizinischen Notfallversorgung entlang der gesamten Strecke wird zu einer logistischen Mammutaufgabe. Rettungsdienste und Notärzte müssen permanent in höchster Alarmbereitschaft sein, um die zahlreichen hitzebedingten Notfälle zu versorgen. Dies bindet nicht nur immense Ressourcen, sondern birgt auch das Risiko, dass bei einer großen Anzahl von Zwischenfällen die Versorgungskapazitäten schnell überfordert sind.
Hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Veranstalter. Geht es noch um den Sport und die Gesundheit der Teilnehmer, oder dominieren kommerzielle Interessen und der Wunsch, die Veranstaltung um jeden Preis durchzuführen? Es ist an der Zeit, dass klarere Richtlinien für Temperatur-Limits bei Ausdauerveranstaltungen etabliert werden und Veranstalter im Zweifelsfall die Konsequenz ziehen, das Rennen abzusagen oder zu verschieben.
Der Reiz des Extremen und die psychologische Falle
Ein weiterer Aspekt ist der psychologische Druck und der Reiz des Extremen. Viele Läufer haben monatelang trainiert und fühlen sich verpflichtet, trotz der Hitze an den Start zu gehen. Sie ignorieren Warnsignale ihres Körpers, getrieben vom Wunsch, das Ziel zu erreichen, oder aus Angst, das Training umsonst absolviert zu haben. Auch der Vergleich mit anderen und der Wunsch nach persönlicher Bestleistung können dazu verleiten, die Risiken zu unterschätzen. Hier ist eine stärkere Aufklärung und Sensibilisierung der Läufer selbst unerlässlich.
Fazit: Gesundheit muss Vorrang haben
Es ist klar: Bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius oder darüber ist die Durchführung eines Marathons in einer Stadt reiner Unsinn und grob fahrlässig. Die Risiken für die Gesundheit und das Leben der Teilnehmer sind viel zu hoch. Sportliche Herausforderungen sind wichtig, aber niemals auf Kosten der Gesundheit. Veranstalter, Sportverbände und auch die Läufer selbst müssen umdenken und die Gesundheit an erste Stelle setzen. Das bedeutet im Zweifel: Absage, Verschiebung oder eine drastische Reduzierung der Distanz. Nur so können wir sicherstellen, dass der Marathon ein Fest des Sports bleibt und nicht zu einem unnötigen Gesundheitsrisiko wird.